Vareniclin (Champix)


Champix® (Liste B) ist seit Frühjahr 2007 als Medikament für die Raucherentwöhnung bei Erwachsenen auf dem Schweizer Markt erhältlich.

 

Wirkungsmechanismus

Vareniclin bindet an die nikotinischen Acetylcholinrezeptoren im zentralen und peripheren Nervensystem und zeigt eine starke Affinität zum Nikotinrezeptor Subtyp α4β2 auf, der im Gehirn in grosser Zahl vorkommt. Vareniclin hat einen dualen Wirkmechanismus: es wirkt einerseits als partieller Agonist am α4β2-Nikotinrezeptor, wo die Bindung einen ausreichenden Effekt hat, um die Symptome des Rauchverlangens und des Entzugs zu lindern (agonistische Wirkung), und anderseits, falls geraucht wird, bewirkt es eine Reduktion des Belohnungs- und Verstärkungseffekts, und zwar durch eine Blockade der Bindung von Nikotin an α4β2-Rezeptoren (antagonistische Wirkung). So führt Tabakkonsum unter Vareniclin zu weniger verstärkenden Effekten (Reinforcement) in Bezug auf Genuss- und Belohnungsgefühl.

 

Wirksamkeit

Gegenüber Placebo erhöht Vareniclin 1 mg täglich die Chance für eine Abstinenz nach einem Jahr um etwa das Doppelte, Vareniclin 2 mg täglich um das Dreifache. Im Vergleich dazu lässt sich mit Nikotin-Ersatzpräparaten meistens höchstens eine Verdoppelung erreichen.

 

Nebenwirkungen, Kontraindikationen

In den klinischen Studien war Übelkeit die häufigste Nebenwirkung (bei ca. ein Drittel der Behandelten) und führte bei ca. 3 % der Testpersonen zum Therapieabbruch. Unter Vareniclin nahmen diejenigen, die mit dem Rauchen aufgehört hatten, in einem ähnlichen Ausmass an Gewicht zu, wie diejenigen in der Placebogruppe. Vareniclin wird kaum metabolisiert und wird mit einer Halbwertszeit von 24 Stunden zu 92 % renal ausgeschieden. Da Vareniclin kaum metabolisiert über den Urin ausgeschieden wird, sollte es bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance von < 30 ml/Min) nur sehr vorsichtig eingesetzt werden.

Nach der Markteinführung wurden die Fachinformationen ergänzt, nachdem einzelne Fälle von suizidalen Gedanken, Suizidversuchen sowie von Suiziden in zeitlichem Zusammenhang mit der Anwendung von Champix® gebracht worden waren. Zur Zeit gibt es keine Evidenz, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen Vareniclin und suizidalen Gedanken oder gar Suiziden gibt. Der Rauchstopp an sich, d.h. das Absetzen von Nikotin, wirkt sich negativ auf die Gefühlsage aus. Weitere Untersuchungen und Analysen sind nötig, um verlässliche Daten über die psychischen Auswirkungen von Vareniclin zu erhalten.

Patienten, deren Familien und Betreuer sollen auf neuropsychiatrische Symptome achten und diese melden. 

 

Dosierungsempfehlung

Die Einnahme von Vareniclin beginnt 1 Woche vor dem Aufhörtag mit 1x täglich 0,5 mg während 3 Tagen. Die Dosis wird dann erhöht auf 2x täglich 0,5 mg für die nächsten 4 Tage. Am Tag 8 wird mit dem Rauchen aufgehört und die Dosis auf 2x täglich 1 mg erhöht für 12 Wochen. Für Patienten, welche nach 12 Wochen erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört haben, kann ein weiterer 12-wöchiger Behandlungszyklus mit 2x täglich 1 mg in Erwägung gezogen werden, ist aber in der Regel nicht nötig.

Eine Einnahme nach dem Essen oder eine vorübergehende oder dauerhafte Reduktion auf 2x täglich 0,5 mg ermöglicht, die Übelkeit zu reduzieren. Die Einnahme der zweiten Dosis mit dem Abendessen anstatt beim Schlafengehen kann die Tagesschläfrigkeit reduzieren.

Patienten, die dosisabhängige Nebenwirkungen haben, kann gemäss der aktuellen Studienlage als valide Alternative 1 mg/Tag vorgeschlagen werden.

Die Einnahme von Vareniclin in Kombination mit nikotinhaltigen Medikamenten wird wegen der antagonistischen Eigenschaft des Vareniclins nicht empfohlen, ist aber nicht kontraindiziert. Unter der Assoziation Vareniclin + NRT treten lediglich vermehrt Nebenwirkungen auf (z.B. Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit)

 

Patientenselektion

Folgende Patientengruppen wurden aus den Studien ausgeschlossen: Patienten mit einer ernsthaften chronisch obstruktiven Bronchopneumopathie, behandeltem Diabetes oder klinisch signifikanter Kardiopathie in den 6 Monaten vor Beginn der Untersuchung, Epileptiker oder Patienten mit herabgesetzter epileptogener Schwelle, all jene mit psychischen Vorfällen wie schweren Depressionen, Panikanfällen, bipolaren affektiven Störungen, Essstörungen, Suchtmittelmissbrauch und anderen Abhängigkeitserkrankungen. Da für diese Patienten Vareniclin nicht geeignet ist, entfallen auch entsprechende klinisch bedeutsame Arzneimittelinteraktionen und es existieren kaum Kontraindikationen für die Einnahme.

Vareniclin kann folgenden Patienten empfohlen werden:

  • bei starker bis sehr starker Nikotinabhängigkeit,
  • wenn der Patient eine 2x tägliche Einnahme einer Tablette bevorzugt,
  • bei  Kontraindikationen für Nikotin-Ersatzpräparate,
  • bei Rückfall nach einer Rauchentwöhnung mit Nikotin-Ersatzpräparaten.

 

Rückvergütung durch die obligatorische Krankenversicherung

Bedingungen für die Rückvergütung durch die Krankenkassen

Eine 12-wöchige Raucherentwöhnung mit Champix® wird von der Krankenkasse vergütet wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Vorliegen einer Nikotinabhängigkeit nach DSM-IV oder Tabakabhängigkeit nach ICD-103.
  • Bestehen einer Folgekrankheit des Rauchens oder Vorliegen eines Fagerström-Test-Scores von mindestens 6 Punkten.
  • Der Patient ist älter als 18 Jahre, zum Rauchstopp mit Champix® motiviert
  • Der Patient wird von einer medizinischen Fachperson beraten und unterstützt.

Die Therapie wird für Patientinnen und Patienten ab 18 Jahren während 12 Wochen vergütet. Eine Wiederholung der Therapie ist frühestens nach eineinhalb Jahren möglich.

 

Fazit

Vareniclin ist ein wirksames Medikament für die Rauchentwöhnung, das nur nach sorgfältiger Abklärung eingesetzt werden sollte. Die medikamentöse Unterstützung der Entwöhnung sollte immer ergänzt werden mit einer Beratung zur Verhaltensveränderung und zur Rückfallprophylaxe.

Die in den Vareniclin-Studien randomisierten Patienten waren motiviert zum Rauchstopp, sie befanden sich nach dem Modell von Proschaska/Di Clemente im Stadium der Vorbereitung. Es wäre kontraproduktiv, das Medikament bei Rauchern einzusetzen, die das Produkt nur aus Interesse am "Neuen" nähmen und keine intrinsische Motivation vorzuweisen haben.

 

Arzneimittelinformationen zu Champix

Dosierung

Datum für Rauchstopp festlegen, Behandlung 1-2 Wochen vor diesem Datum beginnen: Tage 1-3: 1 x tgl. 0.5mg; Tage 4-7: 2 x tgl. 0.5mg (Titrationsphase); ab Tag 8: 2 x tgl. 1mg. Therapiedauer: 12 Wochen. Falls erfolgreich abstinent wird ein zweiter 12-wöchiger Behandlungszyklus mit 2 x tgl. 1mg empfohlen. Einnahme unabhängig von Mahl- und Tageszeiten.

Pharmakokinetik

Absorption: max. Plasmakonzentration nach 3-4 h; steady-state innert 4 Tagen; Absorption nahezu vollständig; systemische Bioverfügbarkeit hoch. Distribution: Plasmaproteinbindung < 20%, Verteilungsvolumen 415l. Metabolismus: kaum metabolisiert, 92% unverändert über Urin ausgeschieden. Elimination: Halbwertszeit ca. 24h.

Interaktionen

Keine klinisch bedeutsamen Interaktionen bekannt; kein Effekt auf das CYP P450-System.

wichtigste UAW

Raucherentwöhnung ist per se mit (Entzugs-)Symptomen verbunden, u.a. depressive Verstimmung, Konzentrations-/Schlafstörungen, Reizbarkeit, Gewichtszunahme, Nervosität. Studien untersuchten nicht, ob UAW mit Champix oder Nikotinentzug zusammenhingen. Sehr häufig: Nausea, Schlaflosigkeit, abnormale Träume, Kopfschmerzen; häufig: gesteigerter Appetit, Erbrechen, Verstopfung, Diarrhoe, Dyspepsie, Schwindel, Schläfrigkeit; gelegentlich: Vorhofflimmern, abnormaler Leberfunktionstest, Thrombozytenzahl, Blutkalzium.

Vorsichtsmassnahmen

Dosisanpassung bei schwerer Niereninsuffizienz (NI); Anwendung nicht empfohlen bei terminaler NI und bei Personen < 18 Jahren; keine Erfahrung bei Epilepsie-Patienten. Raucherentwöhnung kann zu Verschlechterung von psychiatrischen Erkrankungen führen. Wegen möglicher Schwindelgefühle und Schläfrigkeit ev. Einschränkung der Verkehrstüchtigkeit und der Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Nicht anwenden während SS und Stillzeit.

 

Referenzen

  • Jorenby DE, Taylor Hays J, Rigotti NA et al. Efficacy of varenicline, an α4β2 nicotinic acetylcholine receptor partial agonist, vs placebo or sustained-release bupropion for smoking cessation. JAMA 2006; 296: 56-63.
  • Gonzales D, Rennard SI, Nides M et al. Varenicline, an α4β2 nicotinic acetylcholine receptor partial agonist, vs sustained-release bupropion and placebo for smoking cessation. JAMA 2006; 296: 47-55.
  • Oncken C, Gonzales D, Nides M et al. Efficacy and safety of the novel selective nicotinic acetylcholine receptor partial agonist, varenicline, for smoking cessation. Arch Intern Med 2006; 166: 1571-1577.
  • Tonstad S, Tonnensen P, Hajek P et al. Effect of maintenance therapy with varenicline on smoking cessation. JAMA 2006; 296: 64-71.
  • Tonstad S. Varenicline for smoking cessation. Expert Rev. Neuropathics 2007; 7(2): 121-127.
  • Klesges RC, Johnson KC, Somes G. Varenicline for smoking cessation definite promise, but no panacea. JAMA 2006; 296: 94-95.
  • Keating GM, Siddiqui MA. Varenicline. A review of its use as an aid to smoking cessation therapy. CNS Drugs 2006; 20(11): 945-960.
  • Hays JT et al, Varenicline for tobacco dependence. N Engl J Med. 2008 Nov 6;359(19):2018-24.
  • Hays JT et al. Efficacy and safety of varenicline for smoking cessation. Am J Med. 2008 Apr;121(4 Suppl 1):S32-42.
  • Treating Tobacco Use and Dependence: 2008 Update.
  • Gunnel D et al. Varenicline and suicidal behaviour: a cohort study based on data from the General Practice Research Database. BMJ Oct 2009;339:b3805
  • Rigotti Na, Benowith NL et al. Efficacy and Safety of Varenicline for Smoking Cessation in Patients With Cardiovascular Disease. A Randomized Trial. Circulation, published online before print, Jan 2010
  • Arzneimittel-Kompendium der Schweiz 2009