Kurzintervention


Die empfohlene, evidenzbasierte Methode zur Tabakentwöhnung besteht aus einer Beratung in Kombination mit einer medikamentösen Therapie. Für die Beratung in der Apotheke eignet sich die sogenannte Kurzintervention. Es handelt sich dabei um ein semi-strukturiertes Gespräch das erlaubt

  •  zu evaluieren, wie gross der Aufhörwunsch ist und
  •  um die Motivation zum Rauchstopp zu erhöhen.

Die Kurzintervention sollte nicht mehr als 5 Minuten in Anspruch nehmen. Eine Kurzintervention verläuft in 5 Etappen:

  1. Ask (Systematisch den Rauchstatus erfragen),
  2. Advise (Empfehlen, mit Rauchen aufzuhören),
  3. Assess (Den Grad der Motivation zum Rauchstopp evaluieren),
  4. Assist (Dazu ermutigen, einen Rauchstopp zu wagen oder ggf. konkrete Hilfe beim Rauchstopp anbieten) und schliesslich
  5. Arrange follow-up (Gesprächsabschluss).

 

Der Gesprächsverlauf muss sich der Bereitschaft des Rauchers zum Aufhören anpassen - jemand der nicht aufhören will, kann man nicht dazu drängen. Das Ziel der Kurzintervention ist also nicht der Rauchstopp - es genügt, wenn das Gespräch bewirkt, dass sich jemand (wieder) mit dem Rauchstopp auseinandersetzt und vielleicht sogar einen Rauchstoppversuch macht. In der Schweiz geben rund die Hälfte der Raucher an, dass sie gerne mit Rauchen aufhören möchten. Es geht also v.a. darum, diese Personen zu erfassen und in ihrem Vorhaben zu bestärken. Im Folgenden wird beschrieben, wie sich eine Kurzintervention abspielen kann. 

 

1. Ask: Systematisch den Rauchstatus erheben

Zuerst wird nach dem Rauchstatus gefragt ("Rauchen Sie?"). Wenn der Kunde angibt, dass er raucht, sollte man das Einverständnis einholen, kurz über das Rauchen sprechen zu dürfen. ("Ist es Ihnen recht, wenn ich Ihnen ein paar Fragen zum Rauchen stelle?").

 

2. Advise: Empfehlung zum Rauchstopp

Im zweiten Schritt sollte eine kurze Empfehlung zum Rauchstopp folgen, unbeachtet davon, ob jemand zu einem Rauchstopp bereit ist oder nicht. ("Mit Rauchen aufzuhören wäre das Wichtigste, das Sie für Ihre Gesundheit tun könnten.").

Es ist wichtig, als Gesundheitsfachperson eine klare Haltung zu kommunizieren und über die schädliche Wirkung des Rauchens sachlich zu informieren. Die Message sollte sehr kurz und sachlich sein.

 

3. Assess: Evaluation der Motivation zum Rauchstopp

Der dritte Schritt beinhaltet die Evaluation der Motivation zum Rauchstopp, ist also die Frage nach dem Aufhörwunsch. "Auf einer Skala von 1 – 10, wie gross ist Ihr Wunsch, mit Rauchen aufzuhören?" Je nachdem, wie dringlich dieser Aufhörwunsch ist, verläuft das anschliessende Gespräch unter-schiedlich.

Kein Aufhörwunsch

Gibt der Kunde einen sehr tiefen Wert an (1 – 3), kann man das Gespräch abschliessen, z.B. in-dem man sagt: "Für Sie scheint ein Rauchstopp im Moment nicht in Frage zu kommen. Falls Sie sich doch einmal für einen Rauchstopp entscheiden würden, könnte ich Ihnen gerne allfällige Fragen beantworten und Sie unterstützen." Bei Personen, die an einem Gespräch zum Rauchstopp nicht interessiert sind, kommen die Gesprächsteile 4 und 5 "Assist" und "Arrange Follow-up" nicht zum tragen.

Denkt über einen Rauchstopp nach

Wenn ein Wert von 4 – 7 angegeben wird, fragt man, warum nicht ein tieferer Wert angegeben wurde: "Sie geben an, Ihr Wunsch aufzuhören liege bei 5; warum haben Sie nicht 2 gesagt?" Damit provoziert man Aussagen zu den Gründen für einen Rauchstopp, z.B.: "Weil ich manchmal am Morgen so husten muss und ich dann denke, ich sollte mal aufhören." Oder: "Weil das Rauchen ganz schön teuer ist!" Oder: "Weil man fast nirgends mehr rauchen kann." Diese Aussagen werden umformuliert wiederholt und dadurch bekräftigt. Beispielsweise: "Sie machen sich also manchmal Sorgen, weil Sie Raucherhusten haben." Damit hört der Raucher noch einmal die Gründe, die er selber genannt hat und für einen Rauchstopp sprechen würden. Falls in der Apotheke keine Zeit ist, die Ambivalenz des Kunden weiter zu explorieren, kann das Gespräch hier abgebrochen werden, mit dem Angebot, zur Verfügung zu stehen, falls man sich für einen Rauchstopp entschliessen würde.

Ansonsten kann man weitere Gründe für den Rauchstopp ausloten und auch die Hindernisse besprechen, die den Kunden davon abhalten, einen Rauchstoppversuch zu machen. Die Hindernisse werden genannt, indem man fragt: "Was müsste denn sein, dass Sie einen höheren Wert angeben könnten für die Wichtigkeit zum Rauchstopp, also z.B. 9 oder 10?" Damit wird der Kunde auf die Gründe zu sprechen kommen, warum ein Rauchstopp im Moment nicht so wichtig ist, bzw. welche Ängste er betreffend eines Rauchstopps hat. Vielleicht können Befürchtungen im Ge-spräch ausgeräumt werden und der Kunde kann zu einem Rauchstopp motiviert werden, d.h. es kann mit einer Beratung zum Rauchstopp ("Assist") angeknüpft werden.

Rauchstopp wird ernsthaft geprüft

- Gibt der Kunde bei der Frage nach der Wichtigkeit zum Rauchstopp einen Wert zwischen 8 – 10 an, ist ein Rauchstopp offenbar ein Thema und man kann konkret darüber sprechen, welche Un-terstützung der Raucher sich wünscht, damit das Aufhören gelingt. Je nachdem, wie befähigt sich jemand fühlt und wie viel Zeit in der Apotheke zur Verfügung steht, kann hier mit einer konkreten Beratung zum Rauchstopp in der Apotheke angeknüpft werden (=> s. unten 4. Teil "Assist").

Andernfalls sollte eine geeignete Beratungsstelle empfohlen werden, z.B. die nationale Rauchstopp-Linie. Die Beratung zum Rauchstopp beinhaltet die Vorbereitung des Rauchstoppta-ges und die Planung für die Zeit davor und danach (also v.a. Dinge, die die Gewohnheit und das Verhalten betreffen) sowie die Abklärung der geeigneten Medikamente für den Rauchstopp. Für die Beratung in der Apotheke muss die Möglichkeit bestehen, sich in eine Beratungsecke zurück-ziehen zu können.

 

4. Assist: Beratung zum Rauchstopp

Beim Rauchen entsteht eine doppelte Abhängigkeit: Einerseits werden die meisten Raucher physisch abhängig vom Nikotin, was bei einem Absetzen der Zigaretten zu (unterschiedlich stark empfundenen) Entzugssymptomen führen kann. Diese können v.a. mit Medikamenten gelindert werden. Andererseits besteht nach einem oft jahrelangen Zigarettenkonsum eine starke gewohnheitsbedingte Abhängigkeit. Die Gewohnheiten zu verändern fällt häufig schwer und es ist deshalb sinnvoll, sich vor einem Rauchstopp mit den Ritualen und Gewohnheiten auseinander zu setzen.

Vorbereitung auf den Rauchstopp

Die Beratung in der Apotheke sollte sowohl die Verhaltensveränderung als auch die Medikamente für den Rauchstopp thematisieren. Manchmal genügt eine einzige Beratung, um den Rauchstopp vorzu-bereiten. Es ist aber empfehlenswert, weitere Beratungen nach dem vereinbarten Rauchstopptag anzufügen, um den Raucher so über eine längere Zeit zu begleiten und einem Rückfall vorzubeugen.

Bei einem Rauchstoppversuch entschliesst sich der Raucher, einen für ihn exzellent funktionierenden Belohnungsmechanismus aufzugeben. Das, und die Angst zu versagen, verunsichern den Betroffenen. Deshalb braucht er Ermutigung, Bestärkung und eine gute Vorbereitung.

Vorbereitungsphasen:

  • Nichtraucher beobachten
  • Selbstbeobachtung
  • Entwicklung und Planung von Alternativverhalten
  • Rauchstoppdatum festlegen

Nichtraucher beobachten

Raucher, die es sich z.T. über Jahrzehnte angewöhnt haben, bei fast allen Alltagshandlungen eine Zigarette in der Hand zu halten, fällt es schwer, sich vorzustellen, wie sie bestimmte Situationen ohne Zigaretten bewältigen könnten. Rauchfreie Personen zu beobachten ist eine gute Möglichkeit, Alternativverhalten zum Rauchen zu entwickeln. Der Raucher beobachtet gezielt Personen im Alltag, die in typischen Situationen nicht rauchen und schreibt die Beobachtungen auf. Es können sogar Fotos dieser Situationen gemacht werden, das erhöht die Aufmerksamkeit für die Situation und die Beobachtungen prägen sich besser ein.

Selbstbeobachtung

Wichtig ist auch, die eigenen Gewohnheiten zu beobachten und herauszufinden, was die typischen Rauchsituationen sind, denn der Rauchstopp bedingt auch eine Änderung der Gewohnheiten im Zusammenhang mit der Zigarette. Um das eigene Verhalten zu beobachten, eignet sich das Selbstkontrollblatt. Dort wird aufgeschrieben, zu welchem Zeitpunkt, an welchem Ort und zu welcher Tätigkeit geraucht wird, wie wichtig die Zigarette war und wer beim Rauchen dabei war. Schliesslich wird bei jeder Zigarette aufgeschrieben, was man alternativ zum Rauchen hätte tun können. Dies hilft, Strategien für die Zeit nach dem Rauchstopp zu entwickeln.

Entwicklung und Planung von Alternativverhalten

Ausgehend von der Selbstbeobachtung werden Situationen, Tätigkeiten und Stimmungen identifiziert, die das Rauchen auslösen und Verhaltensalternativen für das rauchfreie Leben geplant. Alternativen können sein Wasser trinken, Spazieren, die Katze streicheln, ein Konsolenspiel, Gymnastik, Stricken oder ein Sudok. Das Entscheidende ist, dass es für den Raucher passende, attraktive Alternativen sind. Da das Rauchen eine den ganzen Tag begleitende Tätigkeit ist, müssen viele verschiedene praktikable Strategien gefunden werden, die das Aufhören unterstützen.

Rauchstoppdatum festlegen

Es ist wichtig, den Rauchstopptag frühzeitig festzulegen, damit der Raucher einen klaren Zeitplan hat. Hat man einmal ein Datum festgelegt, soll daran festgehalten werden. Das "Schlusspunkt"-Verfahren ist bei einer begleiteten Raucherentwöhnung dem langsamen Reduzieren des Zigarettenkonsums überlegen.

Rauchstopptag vorbereiten

An diesem Tag soll langjährig eingeübtes Verhalten mit hohem Belohnungswert beendet und neues Verhalten integriert werden. Das ist eine hohe Anforderung, weshalb die Rückfallgefahr in den ersten Tagen nach dem Rauchstopp am höchsten ist. Der Raucher muss einen möglichst konkreten und wirklichkeitsnahen Plan des ersten rauchfreien Tags machen und sich konkret vorbereiten: Alle Raucherwaren und Aschenbecher sind entfernt, Medikamente für den Rauchstopp sind abgeklärt und verfügbar, alternative Handlungen sind griffbereit oder machbar (z.B. der Gameboy ist aufgeladen, die Dörrfrüchte sind eingekauft, die Sauna hat geöffnet etc.).

 

5. Arrange Follow-up: Abschliessen des Beratungsgesprächs

Der letzte Punkt der 5 A ist ganz einfach der Abschluss des Gesprächs, d.h. es wird kurz zusammengefasst, was besprochen wurde und das weitere Vorgehen wird vereinbart. Je nachdem ist dies eben nur das Angebot, bei weiteren Fragen zur Verfügung zu stehen oder aber es sind organisatorische Fragen wie z.B die Zuweisung an eine externe Beratungsstelle oder das Vereinbaren eines neuen Termins.

Folgeberatungen

Folgeberatungen nach dem Rauchstopp dienen der Rückfallprophylaxe, dem Umgang mit Entzugssymptomen und Versuchungen und der Optimierung der medikamentösen Therapie. Weitere Themen können z.B. der Umgang mit Gewichtszunahme sein. Der Erfolg der Rauchstoppberatung ist "dosis-abhängig", d.h. je häufiger Beratungstermine vereinbart werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg.

 

Referenzen

  • Fiore M.C. et al.: Treating Tobacco Use and Dependence: 2008 Update, AHCPR (Agency for Health Care Policy and Research) Supported Clinical Practice Guidelines, USA
  • Cornuz J. et al. : 2. Teil: Empfehlungen für die tägliche Praxis. Schweizerisches Medizinisches Forum 4:356–368 (2004)
  • Cornuz J.: Tabakentwöhnung in der Schweiz, Schweizerische Ärztezeitung 83 (13): 616–620 (2002)
  • Meyer C et al.: Subtyping general population smokers not intending to quit by stages to reduce smoking, Nicotine & Tobacco Research 6: 1043-1050 (2004)
  • Rigotti N.: Treatment of tobacco use and dependence, New England Journal of Medicine 346:506-512 (2002)